MANIFEST für künstlerische Pflanzenkollaboration

- work in progress - 


ATMEN

Menschliches Atmen ist als einer der wenigen körperlichen Vorgänge des Menschen kontrollierbar und funktioniert doch die meiste Zeit über unkonktrolliert. Atmen bedeutet anzuerkennen, dass es Atmungssysteme als ständige Austauschsysteme gibt. Atmen erkennt die unsichtbare Materie als Materie an. Atmen bedeutet den (aerealen) unsichtbaren Zwischenraum als Raum zu sehen und damit zu arbeiten. Atmen bedeutet untrennbar mit der Landschaft um sich in Austausch zu sein und Akteur:innen nicht als abgeschlossene Entitäten sondern als luftige Atmungssysteme zu denken.



BLÜTEN


Blüten sind die offenen Orte. Blüten bedeutet ein Gefäß zu gestalten, in dem andere ihre Geschichte erzählen können, Pollen hinaus und hinein getragen werden. Blüten bedeutet stille Kommunikation durch Farbe, Geruch und Form. Blüten bedeutet, an einem Ort sein und die Welt zu dir kommen lassen.



RANKEN


Anstelle linearer Erzählungen geht es darum sich spiralförmig Komplexen anzunehmen. Statt eines Eindringens in Materie steht das Umwickeln, das Umschlingen als Vereinnahmung von Raum und spiralförmiger Zeit. Wachstum und Entstehungsprozesse werden also nicht nur in eine Richtung gedacht, sondern umkreisen vielmehr eine Thematik, berühren dabei andere Themenfelder und finden so ihre eigene Form. Ranken bedeutet auch, von etwas bestehendem auszugehen, dass es miteinzuschließen gilt: es gibt keine neue Form sondern nur eine Anpassung bereits erzählter Geschichten und Architekturen. Dabei können Ranken aber auch Dominanzgeschichten befallen, verkleiden und aussaugen. Wenn sich viele Ranken an einer Dominanzgeschichte abarbeiten, kann es vorkommen, dass man am Ende vielmehr die Ranken sieht als die ummantelte Dominanzgeschichte. Ranken hat kein direktes Ziel im Wachstumsprozess sondern besteht aus einem steten Annähern, abwägen und Energien im Raum und Zeitpunkt umzulenken.



KONTAMINIEREN


Kontaminieren bedeutet, den Menschen nicht als abgeschlossene Einheit, sondern als verletzlichen Teil eines Organismus in gegenseitiger Abhängigkeit der verschiedensten Akteur:innen zu verstehen. Begegnungen kontaminieren, sie ändern wer wir sind (vgl. Anna Tsing 2015). Kontaminieren erkennt kollaborative Verunreinigung als fruchtbares Prinzip und verweigert die Vorstellung von Reinheit und Ursprünglichkeit.



KOMPOSTIEREN

bedeutet, nicht von einem leeren Raum ausgehen, sondern zu beobachten welche Entscheidungen in diesem Raum und dieser Zeit schon gefallen sind. Was bringen Raum und Zeit mit? Kompostieren bedeutet: es gibt keinen Nullpunkt, keinen White Cube, kein tabula rasa, keine Neuerfindung sondern nur ein Zusammensetzen und neu Komponieren bereits bestehender Materie - wobei Materie sichtbares und unsichtbares meint. Wie Derridas Bricoleure setzten Kompostist:innen gebrauchte und ungebrauchte Elemente zusammen, lassen sie gären und zu Hummus werden. Zu kompostieren bedeutet auch, anzuerkennen, das (Lebens-)Prozesse Spuren hinterlassen, welche Grundlage für andere Prozesse sind. Kompostieren verweigert die Unterscheidung zwischen nutzbarem Produkt und Abfall.


WURZELN


Wurzel haben bedeutet sich gewahr darüber sein, dass Austausch lebensnotwendig ist. Wurzel haben bedeutet sich sinnlich entlang zu tasten ohne bereits das Themen- oder Lebensfeld in dem man sich  bewegt überschauen zu können. Wurzeln haben bedeutet, dass Sichtbares und Unsichtbares untrennbar miteinander verbunden ist - sich zur Bedingung hat. Wurzeln haben, bedeutet das irdische, nocturne nicht als das modrige und unheimliche zu gefährlichen sondern als Netzwerk für Nachhaltigkeit, Prozessieren und  als implemitierten Zwilling zur Aufwärtsbewegung der Sonne in allen Bewegungen in sich zu tragen. Wurzeln binden sich nicht nur an einen lokalen oder globalen Boden, sondern orientieren sich mit der Schwerkraft als Ergebnis kosmischer Verwurzelung zwischen den Gestirnen.


VERROTTEN


Bedeutet sich anderen Zeitlichkeiten als der menschlichen bewusst zu werden. Verrotten bedeutet, die Lebenszeit nicht nur bis zum letzten Atemzug zu messen sonder ebenso die Zeit in der ein abgestorbener Baum noch Jahrzehnte lang abgebaut wird. Verrotten erkennt nicht nur das wachsende sondern auch das abbauende Prinzip als Lebensbedingung an und zählt es zu jeder Bewegung dazu.




Kontakt:
julekries@gmail.com

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